Ärztemangel in Deutschland

In vielen Regionen Deutschlands ist der Ärztemangel längst Realität und keine Prognose mehr. In den nächsten Jahren wird sich dieser Mangel sogar noch weiter verschärfen. Die jungen Mediziner scheuen sich davor, eine eigene Praxis zu eröffnen, denn ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Beruf, Freizeit und Familie finden Sie in einer Festanstellung. Deshalb fehlt es an Hausärzten und vor allem auf dem Land ist die Ärztedichte deutlich geringer im Vergleich zu den großen Städten. Die Anzahl der berufstätigen Ärzte stieg seit den neunziger Jahren jedoch gut um die Hälfte - von 240.000 auf 370.000. Trotzdem herrscht in Deutschland eine Unterversorgung mit Ärzten, was aber nicht unbedingt an den Zahlen liegt, sondern eher an den Menschen.

Die Menschen haben sich geändert

In den letzten 20 bis 30 Jahren haben sich sowohl die Ärzte als auch die Patienten geändert. Die Ärzte arbeiten im Schnitt deutlich weniger als früher, weil die neue Generation an ihrem Leben und der Familie keine Abstriche machen möchte. In einer durchschnittlichen Arztpraxis sind heutzutage sechs Ärztinnen notwendig, um die Arbeit von knapp 4 Vollzeitstellen zu erledigen, denn hinzu kommen auch Kinder, Familie, Mutterschaftsurlaub etc. Hinzu kommen auch ältere Kollegen, weil die Politik eine Rente erst ab 63 Jahren empfiehlt, weshalb es noch mehr Ärzte braucht um den Bedarf zu stillen. Auch die Patienten, die sich über volle Wartezimmer in Praxen ärgern, haben sich mittlerweile verändert. Der demographische Wandel in Deutschland sorgte dafür, dass es immer weniger Kinder gibt - deshalb aber immer mehr Alte. Trotz Krankheiten werden diese Alten immer älter, weil die heutige medizinische Versorgung gut ist. Dementsprechend ist auch die Anzahl der Hausbesuche in Heimen gestiegen. Nicht nur wegen der Zunahme der Behandlungsintensität der alternden Gesellschaft werden heute viel mehr Ärzte gebraucht als früher, sondern auch weil der Durchschnittsdeutsche 19 Mal im Jahr zum Arzt geht. So stieg die Zahl der ambulanten Behandlungsfälle zischen 2004 und 2012 um 136 Millionen, ähnlich sieht es auch bei den stationären Behandlungsfällen aus.

Über die neue Ärztegeneration

Es wächst eine Ärztegeneration heran, die sich immer häufiger für Teilzeitarbeit entscheidet und auch eine höhere Bedeutung der Work-Life-Balance zumisst. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes arbeiteten im Jahr 2001 ca. 31.000 Ärztinnen und Ärzte in Teilzeit. Im Jahr 2011 hat sich diese Zahl auf 54.000 erhöht. Hochqualifizierte und ausgebildete junge Menschen sind nicht mehr bereit, ihre Lebensqualität, ihren Lebensstil und ihre Arbeitnehmerrechte an den Pforten der Arztpraxen und Krankenhäuser abzugeben. Wenn wir diesen Hintergrund und die steigende Behandlungsintensität berücksichtigen, dann ist es selbstverständlich, dass die Anzahl der berufstätigen Ärzte deutlich größer sein sollte. Laut Statistiken hat die demographische Entwicklung auf die Ärzteschaft einen großen Einfluss gehabt, denn immer mehr Ärzte verabschieden sich in den Ruhestand. In anderen Worten nimmt das Durchschnittsalter der Ärzte schon seit Jahren ständig zu, so gibt es heutzutage in Deutschland mehr 50- bis 59-jährige Ärztinnen und Ärzte, als 40- bis 49-jährige.

Sinkende Attraktivität des Arztberufs

Durch die ungenügende Zahl ärztlicher Kolleginnen und Kollegen verzeichnet die Ärzteschaft seit Beginn des neuen Jahrtausends drohende Versorgungslücken. Der klassische Arztberuf ist nicht mehr so attraktiv wie vor 20 oder 30 Jahren, denn dieser zeichnet sich nicht nur durch hohe Arbeitsbelastung aus, sondern auch durch großen Zeitdruck, Dokumentationsaufwand, strenge Hierarchien, eine eher unangemessene Bezahlung, sowie eine mangelnde Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Medizinstudenten beklagen sich schon im praktischen Jahr über die psychische und zeitliche Belastung, die zudem gar nicht vergütet wird. In den letzten Jahren entlasten auch ausländische Kollegen die deutschen Ärzte: Ihre Zahl ist im vergangenen Jahr auf knapp 35.000 gestiegen, zwei Drittel davon stammen aus der EU. Obwohl allein im vergangenen Jahr 3768 Ärzte aus dem Ausland zugewandert sind, haben auch 2364 Ärzte Deutschland den Rücken gekehrt. Das positive Migrationssaldo reicht aber nicht aus, um die Lücken zu schließen. Vielmehr ist ein Ausbau der Studienkapazitäten notwendig, denn das Problem des Ärztemangels in Deutschland ist äußert komplex. Dementsprechend müssen der wachsenden medizinischen Unterversorgung Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität des Arztberufs, sowie langfristige Nachwuchsprogramme entgegengestellt werden.

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